(April 2015)
Seit dem 2. März 2015 steht Robert Tesche im Kader von Birmingham City. In der 140-jährigen Clubgeschichte der Blues ist der 27-jährige
Wismarer nach Tony Hey (1997 bis 1999) damit erst der zweite Deutsche, der im St. Andrew’s
aufläuft.
Beim 2:1-Sieg von Birmingham City gegen Rotherham United am 2. April 2015 (Karfreitag) schrieb Robert Tesche ein kleines Stück Vereinsgeschichte. Sein Treffer zur 1:0-Führung war das erste
Liga-Tor eines Deutschen für die Blues. Das erste (und bis dahin auch einzige) "deutsche" Tor für die Blues erzielte Tony Hey im Oktober 1997 bei der 1:4-Niederlage im Ligapokal bei
Arsenal.
Nach dem Spiel hatte ich während meines Ostertrips in Birmingham in den Clubräumen der Blues die Möglichkeit zu einem Interview mit Robert Tesche, der in seiner nun achtjährigen Profikarriere nur
zwei Farben zur Auswahl hatte. Nach Stationen in Bielefeld (Blau), Hamburg (Blau) und
Düsseldorf (Rot) kickt der defensive Mittelfeldspieler seit letzten Sommer auf
der Insel. Zunächst bei Nottingham
Forest (Rot), die ihn jedoch am 2. März 2015 an die Blues ausgeliehen
haben.
Robert, herzlichen Glückwunsch zum Sieg über Rotherham. Und zum ersten „deutschen“ Liga-Tor für Birmingham City.
RT: Danke. Ich denke, der Sieg heute war verdient. Und das mit dem ersten Tor eines Deutschen wusste ich nicht. Das ist natürlich eine schöne Geschichte.
Du bist erst seit einigen Wochen in Birmingham. Deine ersten Eindrücke?
RT: Bisher gefällt es mir wirklich sehr gut in Birmingham. Der Verein und die Mannschaft haben mich super aufgenommen. Und sportlich läuft es auch gut. Seit ich hier bin haben wir in vier Spielen nur einmal verloren (0:2 in Cardiff am 21. März). Ich habe direkt den Sprung in die Startelf geschafft. Es tut gut, wenn einem der Trainer vertraut…
Das war zuletzt bei Forest nicht der Fall.
RT: Das ist richtig. Und das war auch der Grund für das Ausleihgeschäft mit Birmingham. Unter Stuart Pearce lief es für mich in Nottingham zunächst richtig gut. Nach dem Trainerwechsel hat sich die Situation jedoch komplett geändert. Dougie Freedman kannte mich nicht und baute in seinen ersten Wochen zunächst auf die Spieler, die er schon vorher kannte. Und dann ergab sich die Möglichkeit zum Wechsel nach Birmingham. Nach dem ersten Gespräch mit Gary Rowett hatte ich den Eindruck, dass er auf mich baut und ich dem Team weiterhelfen kann.
Nach sieben Jahren in der Bundesliga spielst Du seit dieser Saison in England. Ist das eine große Umstellung?
RT: Ich kannte die 2. Liga in England vorher gar nicht. Von daher war es schon eine Umstellung für mich. Aber für mich geht ein Traum in Erfüllung, denn nirgends ist der Fußball so populär wie in England. Die vielen Fans in den Stadien und natürlich die Art, Fußball zu spielen. Beides mag ich sehr. Der englische Fußball ist aggressiver und mit viel mehr Körperkontakt verbunden. Die Schiedsrichter lassen viel mehr durchgehen. Ich mag das, denn dadurch bleibt das Spiel im Fluss. Ich bin bisher noch nicht enttäuscht worden.
Wie schätzt Du das Niveau der 2. Liga in England ein?
RT: Die Spitzenteams lassen den Ball gut laufen und erarbeiten sich viele Chancen. Viele andere Mannschaften stehen allerdings sehr tief und hauen den Ball oft einfach nur nach vorne. Wenn Du da nicht das erste Tor schießt, wird es echt schwierig. Da gibt es schon einige Unterschiede in der Liga.
Der Klassenerhalt ist nach dem heutigen Sieg für Birmingham sicher. Wie lauten die Ziele bis zum Saisonende?
RT: Es sind noch einige Spiele zu spielen und wir wollen natürlich so viele Punkte wie möglich holen. Gerade zu Hause wollen wir unsere Fans nicht enttäuschen.
Wie geht es danach bei Dir weiter? Könntest Du Dir vorstellen, längerfristig in Birmingham zu bleiben?
RT: Ich habe bei Forest noch einen Vertrag bis zum Ende der nächsten Saison, also werde ich nach dieser Saison zunächst einmal nach Nottingham zurückkehren. Das ist der Stand der Dinge im Augenblick. Es war anfangs eine gute Zeit in Nottingham. Und nun habe ich eine gute Zeit in Birmingham. Es ist wirklich nicht einfach zu sagen, was im Sommer passieren wird. Ich möchte auf jeden Fall gerne in England bleiben.
Für mich als Fan von Birmingham City und Fortuna Düsseldorf ist von Interesse: Warum hat es 2012/13 nicht zum Klassenerhalt für die Fortuna gereicht? Hast Du das halbe Jahr in Düsseldorf dennoch genießen können?
RT: Trotz des Abstiegs aus der Bundesliga war das halbe Jahr in Düsseldorf eine wertvolle Erfahrung für mich. Es gab einige Parallelen zu meiner jetzigen Situation. Beim HSV bekam ich kaum noch Einsatzzeiten. Und so wurde ich zur Rückserie an die Fortuna ausgeliehen. Direkt im ersten Spiel nach der ordentlichen Hinserie als Aufsteiger haben wir zu Hause gegen Augsburg verloren. Das war der Knackpunkt, von dem wir uns nicht mehr erholt haben.
Du hast in Bielefeld unter dem legendären Trainer Ernst Middendorp gespielt. Trainermäßig kann Dich doch jetzt gar nichts mehr überraschen, oder?
RT: Eigentlich hast Du damit Recht, das ist schon ein sehr spezieller Typ (lacht). Aber ich habe ihm so viel zu verdanken. Er hat mich bei Arminia Bielefeld an den Profifußball herangeführt. Ich habe noch heute ab und an Kontakt zu ihm. Leider wurde er vor einigen Tagen bei Chippa United in Südafrika entlassen.
Zurück nach Birmingham. Wie lebt es sich dort?
RT: Meine Familie (Ehefrau Martina und der kleine Tom, der im Dezember in Nottingham geboren wurde) und ich wohnen ja erst seit einigen Wochen in Birmingham. Die vielen Trainings- und Spielzeiten ließen es bisher kaum zu, die Stadt näher anzuschauen. Aber wir wohnen direkt am Brindleyplace, also sehr zentral. Dort ist es sehr schön, an den Wochenenden aber auch schon mal sehr laut.
Und englisches Frühstück und Linksverkehr – zwei Dinge, die für die meisten Deutschen in England ein Alptraum sind…?
RT (lacht): Mit beidem habe ich kein Problem. Der gebratene Schinken ist doch ganz nett. Ansonsten stehe ich auf Ofenkartoffeln, die hier sehr lecker schmecken. Und was den Straßenverkehr angeht, an den habe ich mich schnell gewöhnt. Ich hab allerdings mein Auto mit dem Lenkrad auf der linken Seite aus Deutschland mitgenommen…