(Januar 2015)
Mikael Forssell (*15.03.1981) spielte zwischen 2003 und 2008 in zwei Perioden insgesamt fünf Spielzeiten - darunter vier in der Premier League - für Birmingham City. In 119 Einsätzen gelangen dem finnischen Nationalstürmer 37 Tore für die Blues.
Seit dem Sommer 2014 kickt Mikael, der auch schon für Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 in der Bundesliga auf Torejagd ging, für den VfL Bochum in der 2. Liga. Damit – und nicht zuletzt aufgrund seines Geburtsortes Steinfurt – hat er sich natürlich für den nächsten “BiG-Talk” qualifiziert…;-)
Im Gespräch mit Tom Kleine von BiG blickt Mikael Forssell zurück auf seine Zeit in Birmingham. Auf verpatzte Chancen, lange Verletzungen und Crispy Cream Donuts mit Sebastian Larsson.
Mikael Forssell, Du bist Finne, wurdest aber in Deutschland geboren?
MF: Das ist richtig. Mein Vater hatte früher beruflich in Deutschland zu tun. Und so wurde ich im Jahr 1981 in Steinfurt im Münsterland geboren. Als ich eineinhalb Jahre alt waren sind wir über Schweden zurück nach Finnland gezogen.
Eigentlich warst Du mit Deinem Wechsel zu HJK Helsinki im Oktober 2012 ja schon auf dem Weg in den “sportlichen Ruhestand”. Wie kam es im letzten Sommer zum Engagement beim VfL Bochum?
MF: Nach einer am Ende recht unglücklichen Zeit bei Leeds United habe ich überlegt, wie es weitergeht. Ich wollte noch einige Jahre spielen und Spaß am Fußball haben. Und den Fußball einfach noch ein wenig genießen. HJK Helsinki ist eine Top-Adresse in Finnland. Das Niveau in der finnischen Liga ist okay. Und ich habe meine Tore geschossen. Ich habe dort sehr gerne gespielt. Aus meiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 hatte ich noch immer einen sehr guten Kontakt zu Christian Hochstätter, der ja nun beim VfL Bochum im Vorstand tätig ist. Er hat mich von einem Engagement in Bochum überzeugt.
Wie gefällt es Dir im Ruhrgebiet?
MF: Wirklich klasse. Die Menschen hier sind sehr nett und Bochum ist ein Traditionsverein. Ich fühle mich hier sehr wohl.
Seit einigen Tagen hast Du mit dem Holländer Gertjan Verbeek einen neuen Trainer. Dein erster Eindruck?
MF: Mein erster Eindruck ist sehr gut. Coach Verbeek gilt als großer Taktik-Experte, der von uns ein hohes Tempo mit viel Pressing verlangt. Die ersten Trainingseinheiten waren sehr gut.
Wie lauten Deine Ziele mit dem VfL Bochum in der Rückserie der laufenden Saison?
MF: Die 2. Bundesliga in Deutschland ist sehr ausgeglichen. Wenn wir vom Verletzungspech verschont bleiben und uns ein guter Start in die zweite Saisonhälfte gelingen wird, dann möchten wir schon oben mitspielen.
In Deutschland unterstütze ich Fortuna Düsseldorf, Euren Rivalen in Liga 2. Mein Sohn hält allerdings zum VfL Bochum. Was meinst Du: Wer wird am Ende der Saison mehr lächeln?
MF: Sei mir nicht böse. Aber ich hoffe natürlich, dass es Dein Sohn sein wird ((lacht). Fortuna ist mir aber auch sympathisch. Schließlich spielen da mit meinem Landsmann Joel Pohjanpalo und Sergio Pinto, den ich aus meiner Zeit bei Hannover 96 kenne, zwei Jungs, mit denen ich mich gut verstehe.
Kommen wir zu Deiner Zeit bei Birmingham City. In fünf Spielzeiten hast Du das Trikot der Blues in 119 Spielen getragen und dabei 37 Tore geschossen. Keine schlechte Bilanz.
MF: Das stimmt. Ich habe die vier Jahre in der Premier League und das eine Jahr in der Championship mit Birmingham wirklich sehr genossen. Wenn die langen Verletzungen nicht gewesen wären, hätte ich mit den Blues bestimmt noch viel mehr erreicht. Gerade an meine erste Saison 2003/04 erinnere ich mich gerne zurück. Bei meinem Debut im September 2003 gelangen mir beim 2:2-Unentschieden zu Hause gegen Fulham beide Tore. Beim 2:0-Auswärtssieg eine Woche in Leeds später habe ich erneut getroffen. Am Ende war ich mit 17 Toren Topscorer von Birmingham City. Wir hatten eine super Truppe mit Dugarry, Savage, Lazaridis und vielen anderen guten Jungs. Erst am Ende sind wir eingebrochen und haben damit die Chance auf eine Europapokal-Teilnahme vergeben. Das war sehr schade. Dennoch war das für mich eine überragende erste Saison bei den Blues.
Wer waren Deine besten Mitspieler und mit wem hast Du die meiste Zeit privat verbracht?
MF: Ach, da gab es so viele gute Spieler während meiner Zeit in Birmingham. Christophe Dugarry, Robbie Savage, Emile Heskey, David Dunn. Ich kann die alle gar nicht aufzählen. Privat war ich dauernd mit Sebastian Larsson unterwegs. Wir beide sind noch heute sehr gute Freunde.
Was war sportlich Dein bester Moment bei Birmingham City?
MF: Neben dieser ersten Saison war das auch meine letzte Spielzeit für Birmingham 2007/08. Das klingt komisch, da wir am Ende der Saison abgestigen sind. Aber nach meinen langwierigen Verletzungen war ich 2007/08 endlich wieder gesund und Stammspieler. Leider haben meine neun Tore in 30 Spielen nicht zum Klassenerhalt gereicht.
Welche Momente waren die schwierigsten für Dich beim BCFC?
MF: Die beiden Abstiege 2006 und 2008 waren echt bitter. 2005/06 war eine katastrophale Saison. Die vielen Niederlagen haben schon früh dafür gesorgt, dass die Stimmung innerhalb der Mannschaft sehr schlecht war. Die Mannschaft 2005/06 hat einfach nicht zusammen funktioniert, obwohl wir super Einzelspieler im Kader hatten. Auch Trainer Steve Bruce hatte aufgrund der sportlichen Misere fast immer schlechte Laune.
Deine Derby-Bilanz gegen Villa fällt negativ aus. Während Deiner Zeit bei den Blues gab es in sechs Spielen nur zwei Unentschieden bei vier Niederlagen für Dich und City. Immerhin hast Du drei Derby-Tore geschossen.
MF: Ja, das stimmt. Ich hätte so gerne dieses Derby für unsere Fans gewonnen. Die Spiele gegen Villa waren immer der Höhepunkt der Saison, keine Frage. Wenn ich an mein zweites Derby denke, dann bekomme ich noch heute Gänsehaut. Nach einem 0:0 im St. Andrews ging es in der Saison 2003/04 zum Rückspiel in den Villa Park. Wir lagen 0:2 zurück. Dann gelang mir der Anschlusstreffer und Stern John in der Nachspielzeit noch der Ausgleich. Was sich danach im Fanblock von Birmingham City abspielte, war unbeschreiblich.
“Na klar bekommt man es als Spieler mit, wenn tausende von Menschen lauthals “Keep Right On” anstimmen!”
Wie hast Du die Stimmung im St. Andrews empfunden? Bekommt man als Spieler all die Fangesänge eigentlich mit?
MF: Die Stimmung im St. Andrews war einfach super. Ein altes Stadion, einfach ein toller Ground. Die Fans von Birmingham City sind unbeschreiblich. Es ist egal, ob es draußen minus 5 Grad sind. Die Fans stehen im Shirt im Stadion und feuern ihre Jungs an. Jedes Tackling und jede Ecke wird lautstark begleitet. Und die Fangesänge? Na klar bekommt man es als Spieler mit, wenn tausende von Menschen lauthals “Keep Right On” anstimmen!
Verfolgst Du Birmingham City noch heute?
MF:Selbstverständlich. Meist über Internet, ab und an über internationales TV. Außer Colin Doyle steht zwar aktuell niemand mehr im Kader der Blues, mit dem ich noch zusammengespielt habe. Und auch im Vorstand gab es ja zuletzt erhebliche Veränderungen. Dennoch ist mir das Schicksal von Birmingham City nicht egal. Dafür habe ich zu gerne für diesen fantastischen Verein gespielt.
Im Pokal geht es in wenigen Tagen gegen West Bromwich Albion.
MF: Ein fantastisches Los für Birmingham.Das wird ein tolles Derby. Über West Brom habe ich eine hohe Meinung. Die haben in den letzten Jahren so hervorragende Arbeit geleistet. Da kommt bei anderen Clubs Neid auf.
In einem vorherigen “BiG-Talk” mit dem deutschen Ex-Blues Tony Hey sprach dieser davon, dass Birmingham City ein schlafender Riese sein.
MF: Damit hat Tony Recht. Birmingham ist eine absolute Fußballstadt. Die Blaunasen leben für ihren Club.
“Ich hatte mal einen Trainer in England, bei dem ich lediglich die Aufgabe hatte, die Linie rauf und runter zu laufen. Andernfalls wäre ich aus dem Kader geflogen.”
Wo liegen für Dich die größten Unterschiede zwischen dem englischen und dem deutschen Fußball?
MF: Das Tempo in England ist bekanntlich etwas höher, während in Deutschland doch mehr Wert auf spielerische Qualität gelegt wird. Diesen Unterschied merkt man am ehesten bei den Trainern. Ich hatte mal einen Trainer in England, bei dem ich lediglich die Aufgabe hatte, die Linie rauf und runter zu laufen. Andernfalls wäre ich aus dem Kader geflogen. Das war natürlich etwas zu einseitig. Einen großen Unterschied gibt es auch bei den Schiedsrichtern. In Deutschland pfeifen die Schiedsrichter schneller ab, während in England eine gesunde Härte zulässig ist.
Du hast einige lange Verletzungen hinter Dir. Wie geht man damit um? Macht man sich da in jungen Jahren auch schon mal Gedanken an ein Karriereende?
MF: Keine Frage, ja. Gerade bei einer schweren Knieverletzung weiß man nie, ob und wie man zurückkommt. Ich bin Gott sei dank immer zurückgekommen. Auch weil ich immer sehr viel für meine Comebacks gearbeitet habe. So eine langwierige Verletzung hat jedoch auch etwas Poitives: man hinterfragt sich und sein Leben. Und wenn man eine schwere Verletzung hinter sich gebracht hat, ist man mental auf jeden Fall abgehärtet.
Wo hast Du in Birmingham gewohnt?
MF: Während meines ersten Engagements in Solihull. Bei meiner zweiten Zeit in der Gegend von King Edward Wharf.
Wie beurteilst Du die Lebensqualität in Birmingham?
MF: In Birmingham lässt es sich sehr gut leben. Früher war das eine reine Industriestadt. Heute hat Birmingham den Strukturwandel gut hinbekommen. Es wurde so viel gebaut in Birmingham. Mein Agent wohnt ja dort und ich bin noch ab und an bei ihm zu Besuch. Ich mag diese Stadt wirklich sehr.
“Und zum Abschluss noch ein Crispy Cream Donut obendrauf.”
Dein Hot Spot in Birmingham?
MF: Zu meiner Zeit dort habe ich die Zeit andauernd mit Sebastian Larsson verbracht. Meistens um den Bullring herum. Sushi hier, Eiscreme dort. Und zum Abschluss noch ein Crispy Cream Donut obendrauf.
Das Essen in England gilt bei uns Deutschen allerdings nicht als vorbildlich.
MF: Da ist auch leider etwas dran. Das war schon recht schwierig (lacht). Aber es gibt in Birmingham auch wirklich gute Restaurants.
Wo liegen die größten Mentalitätsunterschiede zwischen Finnen, Deutschen und Engländern?
MF: Wir Finnen sind pflegeleicht (lacht) und können uns überall schnell integrieren, da fast alle Finnen englisch sprechen. Ist ja auch kein Wunder, denn mit finnisch kommt man ja nun wirklich nicht weit (lacht). An den Deutschen mag ich die Klarheit. Man weiß, was sie verlangen. Und sie sind Weltmeister im Organisieren. An England liebe ich vor allem den Humor. Mein Mitspieler Felix Bastians hier in Bochum hat ja einige Jahre für Nottingham Forest gespielt. Er spricht perfekt englisch. Und wir beide lachen und scherzen den ganzen Tag auf die englische Art.
Einen Tag vor dem Interview habe ich die BiG-Follower auf unserer Twitter-Seite gebeten, mir Fragen an Dich mitzuteilen. Hier sind sie:
MF (lacht): Es gibt nur ein Horse...Geoff Horsfield...
MF: Man soll niemals nie sagen. Es gibt da immer eine Chance. Aber im Augenblick bin ich glücklich beim VfL Bochum.
MF (lacht): Ich habe das mal in Richtung Sebastian Larsson gesungen, als wir mal wieder einen Donut im Bullring gegessen haben."
Mikael, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Deine Zukunft.
KEEP RIGHT ON!
(BiG bedankt sich beim VfL Bochum für die angenehme Zusammenarbeit.)